Jack - Die Falle

von Beate Eickelmann

Leseprobe

Beschreibung



Mariella durchlebt schwere Zeiten. Ihr Chef ist pleite und hat sich abgesetzt, seit Monaten hat sie kein Gehalt bekommen und überhaupt passieren ihr ständig Dinge, über die andere nur den Kopf schütteln. Um ihr Haus nicht zu verlieren, in dem sie seit dem Tod ihrer Eltern allein lebt, muss sie den Weg zur Bank antreten. Sie glaubt, dass es nicht mehr schlimmer werden kann. Doch auch in diesem Punkt wird sie eines Besseren belehrt. In dem Augenblick, in dem sie in der Bank ist, findet dort ein Überfall statt und sie gerät mit zwei anderen jungen Frauen in die Gefangenschaft von Jack, dem Anführer einer Söldnertruppe, der sie auf eine schottische Insel verschleppt. Bach anfänglichen Rebellionen und Fluchtversuchen passiert allerdings etwas, womit Mariella nicht gerechnet hat: Sie verliebt sich in Jack und erfährt, dass nicht die Söldner diejenigen sind, die sie fürchten muss ...


Leseprobe

 

Jack saß in Gedanken versunken am Meer auf einem Felsen. Der Wind blies ihm durch die angegrauten Haare. Die Regenwolken türmten sich auf und es wurde kalt. Seine Leute bereiteten seine Geburtstagsfeier vor, deshalb hatten sie ihn vor die Tür geschickt. Er wurde 45 Jahre alt.

Das tosende Meer übertönte jedes andere Geräusch, so dass er die Gestalt hinter ihm erst wahrnahm, als sie ihn ansprach.

„Ach, hier bist du. Ich habe dich schon gesucht. Wir können feiern. Ich wollte dich holen.“ Jack sah sich um und erkannte Harald, einen seiner Söldner.
„Setz’ dich einen Augenblick.“
„Was gibt’s?“
„Ich denke nach.“
„Worüber? Über unser Plappermaul? Was hast du mit ihm vor?“
Jack zuckte mit den Schultern und sah Harald an. Missmutig drehte er sich wieder zum Meer.
„Mit dem befasse ich mich gleich.“
Harald sah ihn erstaunt an. So hatte er seinen Chef noch nie erlebt. Jack grinste.
„Weißt du, den nächsten Auftrag haben wir schon in der Tasche. Aber was kommt danach? Wieder ein Auftrag und wieder ein Auftrag. Es ist immer dasselbe. Ich will etwas anderes. Ich weiß zwar noch nicht was, aber ich will etwas verändern.“
„Du veränderst doch alles. Denk mal an die Afrikaeinsätze! Oder in Asien unsere heimlichen Operationen! Kein Mensch auf der Welt ahnt, dass der Westen hinter vielen Kämpfen in der  Dritten Welt steht. Wir mischen alles auf und teilen es untereinander auf. Die einen werden reicher und die anderen ärmer. Aber wir haben schon Geschichte geschrieben.“
„Stimmt, wenn du es so siehst. Aber denk auch mal an die vielen Freunde, die wir verloren haben. Kannst du dich noch an Afrika erinnern? Drei Freunde haben wir verloren! Drei!“
„Du weißt, dass das bei jedem unserer Aufträge passieren kann! Berufsrisko!“ Harald zuckte mit den Schultern.
„Ja, aber man denkt nie darüber nach,“ sagte Jack.
„Was hat dich so nachdenklich gemacht?“
„Meine kleine Schwester hat mir geschrieben. Sie hat ihr zweites Kind bekommen. Eine Familie, ein Haus, ein schönes Leben.“
„Ich wusste nicht, dass du eine Schwester hast!“
„Das weiß auch sonst niemand, und ich bitte dich, darüber kein Wort zu verlieren. Ich habe die Kinder noch nie gesehen. Verstehst du, was ich meine? Ich habe so viel verpasst.“
„Du meinst, du willst selbst eine Familie, ein Haus, einen Hund oder so etwas in der Art? Dann denk auch mal darüber nach, wie du aussehen würdest, wenn du dreckige Windeln wechseln müsstest. Ehrlich gesagt, kann ich mir das bei dir nicht vorstellen! Glaub mir, du sehnst dich im Moment nach dem normalen Leben, aber die, die dieses Leben leben, haben auch ihre Sehnsüchte. Die würden nämlich gerne dein Leben führen! Du willst immer das, was du nicht hast! Außerdem, sieh dich mal um, diese Insel und die Festung gehören dir. Ist das kein Haus? Brauchst du noch eine Frau und Kinder?“ Jack grinste.

„Du hast Recht. Schluss jetzt mit dem Gejammer. Kümmern wir uns um unser Plappermaul, dann gehen wir Geburtstag feiern. Danach haben wir die Besprechung für den nächsten Auftrag!“
Sie standen auf und gingen in Richtung Festung. Die Schafe auf der kleinen Insel blökten. Sie hielten das Gras kurz. Der Wind hatte an Stärke zugenommen. Die Wolken waren schon näher gekommen und es tropfte vom Himmel.
„Schnell, sonst sind wir gleich patschnass!“ rief Harald Jack zu. Die beiden zogen sich ihre Jacken über den Kopf und liefen jetzt in Richtung Haus. Sie waren gerade über die Türschwelle getreten, als der Regen sturmgepeitscht herunterprasselte.
„Glück gehabt!“ murmelte Jack.
„Komm’ mit,“ verlangte er von Harald, „ich mach’s kurz mit unserem Plappermaul. Ich habe keine Lust auf lange Reden und auf dumme Ausreden. Danach können wir meinen Geburtstag feiern.“
Harald nickte. Jack ging vor in das Gefängnis der Festung. Durch eine Tür sah Jack in einen Raum, in dem ein Mann apathisch auf dem Boden saß. Sein Gesicht war blau verfärbt und er blutete aus Nase und Mund. Eine Augenbraue war geplatzt, das Hemd zerrissen. Er sah erst hoch, als er hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Als er Jack wahrnahm, schien er sich zu freuen.

„Jack, Jack. Ich habe auf dich gewartet. Ich bin unschuldig. Das musst du mir glauben. Ich habe euch nicht verraten. Bestimmt nicht. Das ist ein Irrtum. Jack, du musst mir vertrauen,“ stammelte er.

Jack sah den Mann lächelnd an. Harald stand hinter ihm.

„Natürlich vertraue ich dir. Ich habe dir immer vertraut. Ich bin hier, um dich rauszuholen. Du weißt ja, die Männer sind manchmal ein wenig empfindlich, Verrat betreffend. Mach’ dir nichts draus.“

Jack ging auf den Gefangenen zu.

„Ich würde dich doch nie verraten. Ich habe doch eine Familie, die mich braucht. Ich weiß doch, was du mit Verrätern machst. Schon allein deshalb müsstest du wissen, dass ich mir das nicht leisten kann.“

„Natürlich.“ Jack lächelte immer noch. Harald blieb in der Tür stehen. Jack ging auf den gefesselten Mann zu. Der Gefangene sah ihn ängstlich an.

„Mach’ schon, dreh’ dich um, damit ich dir die Fesseln aufschneiden kann.“

Der Gefangene drehte ihm den Rücken zu. Jack griff nach hinten an seinen Gürtel und holte ein Messer hervor. Er schnitt dem Mann die Fesseln durch. „Danke, Jack. Das wirst du nie bereuen.“ Harald sah Jack von der Seite an. Jack nickte ihm grinsend zu. Harald drehte sich um und ging in den Flur. Hier versteckte er sich und wartete auf Jacks Zeichen. Er kannte Jack sehr gut. Im Laufe der Jahre verstanden sie sich ohne Worte. Harald lehnte sich an die Wand und lauschte dem Gespräch zwischen Jack und dem Gefangenen.

Jack befestigte sein Messer wieder am Gürtel. Der Gefangene rieb sich seine Handgelenke und stand auf.

„So, jetzt sind wir allein. Jetzt erzähl’ mal deine Version.“ verlangte Jack in einem sehr ruhig Ton von dem Gefangenen. Der Mann stellte sich sehr nah vor Jack. Das Gesicht des Gefangenen veränderte sich. Er sah sich noch einmal um. Jacks Instinkt meldete sich. Er kannte dieses Sichern nach allen Seiten. Der Mann sah Jack an. Dieser Mann war nicht mehr der bittende Gefangene, sondern ein sehr realistisch denkender Mensch. Er lächelte Jack sogar an, als er ihm antwortete.

„Meinst du, ich wüßte nicht, dass ich keine Chance habe, hier lebend von der Insel zu kommen?“ Jack lehnte sich an die Wand des Gefängnisses und betrachtete seinen Gefangenen von oben bis unten.
„Das kommt doch ganz auf dich an.“ Der Mann senkte den Kopf.
„Selbst wenn ich dir erzählen würde, wer dahinter steckt, du würdest mich töten oder töten lassen. Ich täte es auch. Als Gefangener bin ich uninteressant, wenn ich dir alles erzählt habe.“
„Hast du mir denn etwas zu erzählen?“ Jack grinste ihn ironisch an. Der Mann sah zur Tür.
„Ich weiß einige Dinge über deine Gegner, die du nicht weißt. Aber wenn ich dir das erzähle und du mich tatsächlich frei lassen würdest, dann würde mich die Gegenseite umbringen. So ist das. Ich bin so oder so tot.“
„Ja, wenn das deine Meinung ist, kannst du mir ja erzählen, was du weißt und dann dich von mir umbringen lassen.“ Jack grinste provokant. Das Gesicht des Mannes veränderte sich wieder und Jacks Sinne schlugen Alarm. Diesen Ausdruck kannte er. Er ahnte, dass der Gefangene ihn gleich angreifen würde. Jack spannte unmerklich seine Muskeln. Seine linke Hand tastete unter seine Jacke nach hinten und fühlte das Metall seiner Pistole, die er am Gürtel befestigt hatte.
„Aber weißt du, Jack,“ meinte der Gefangene. „Da ich sowieso sterben muß, warum sollte ich dich nicht mitnehmen?“ In dem Moment schoß der Mann auf Jack zu und versuchte, Jacks Kehle zu fassen. Jack wehrte die Arme des Angreifers ab, wich seitlich aus und zog seine Pistole. Der Gefangene taumelte durch Jacks Abwehr zurück an die gegenüberliegende Wand. Jack streckte seinen Arm mit der Pistole aus und schoß ihm in den Kopf. Der Gefangene fiel mit weit geöffneten Augen zu Boden. Aus der Wunde am Kopf pulsierte das Blut und bildete schnell eine große Lache.

Harald stürzte um die Ecke mit einer gezogenen Pistole.
„Warum hast du das vereinbarte Zeichen nicht gegeben?“
„Dem mußte ich mich selbst stellen. Ich konnte mir doch denken, dass er versucht mich umzubringen. Ich habe ihm die Gelegenheit dazu gegeben und ihn besiegt.“ Triumphierend sah er Harald an.
„Du bist wahnsinnig. Er hätte dich töten können.“ Jack grinste.
„Na, das wäre doch gut für dich. Dann bist du mein Nachfolger.“ Harald sah Jack an.
„In aller erster Linie betrachte ich mich auch als dein Freund. Ich kann es nicht zulassen, dass du dich so in Gefahr
begibst. Es ist ja fast so, als wolltest du es herausfordern. Jack, hör’ auf damit.“

Angeekelt sah Jack auf den toten Mann und wandte sich an Harald.
„Sieh’ zu, dass einer der Männer den Dreck wegmacht.“


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